Die Astrologie konnte trotz aller interner und externer Wandlungen überdauern. es ist also keineswegs so, dass mit em Ende des geozentrischen Weltbildes auch die astrologischen Lehren die Basis für ihre Begründungen verlieren. Der Autor geht davon aus, dass die Begündungslinien der Astrologie anders verlaufen, und zwar sieht er dies in bewusst reflektierten religiösen Vorstellungen. Betrachte man die Astrologie als religiöse Idee und Erfahrung, dann hängt die Frage ihrer Gültigkeit niocht zwangsläufig von naturwissenschaftlichen Voroaussetzungen ab. Aus dieser Perspektive untersucht der Autor die Astrologie in den verschiedenen Epochen religiöses Weltbild. Vopr allem arbeitet er heraus, dass die Astrologie ein modernes Mittel zur Sinnfindung ist.
Der Vorrang des tropischen Tierkreises
Seit der hellenistischen Astrologie beginnt die Bemessung und Zählung der zwölf Tierkreiszeichen zu exakt je 30° mit dem Frühlingsäquinoktium. Die Einteilung folgt dabei dem scheinbaren Jahreslauf der Sonne vom Frühlingspunkt über das Sommersolstitium (dem Höchststand der Sonne für die nördliche Halbkugel), weiter über das Herbstäquinoktium (Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche) und das Wintersolstitium (dem Tiefststand der Sonne) zurück zum Ausgangspunkt. Diese vier Sonnenwendpunkte im Jahreslauf bilden die kardinalen Ausgangspunkte für die räumliche Einteilung der jeweils drei folgenden Zeichen. Die so erhaltene Zwölfteilung wird als tropischer Tierkreis bezeichnet, der vom siderischen Tierkreis zu unterscheiden ist. Letzterer besteht aus unterschiedlich großen Sterngruppen, den Sternbildern, die in unregelmäßiger Ausdehnung entlang der Ekliptik, sowie nördlich und südlich der Ekliptik gelagert sind. Diese Unterscheidung von tropischem und siderischem Tierkreis ist der antiken Astrologie bewusst und unter anderen von dem Astronomen Hipparchos von Nicäa (190-120 v. u. Z.) ausführlich beschrieben worden.
Naheliegend, aber nichtsdestoweniger historisch falsch, ist die Auffassung, der tropische Tierkreis sei aus dem siderischen abgeleitet worden und die antiken Astrologen hätten die angenommene Wirkung der Sterne und Sternbilder auf die menschlichen Schicksale mit den 30°-Tierkreiszeichen nur schematisiert, sie hätten also einen Einfluss der Sternbilder angenommen und die Tierkreiszeichen als ungefähr passende Raumabschnitte zu den Sternbildern verstanden, aus denen dieser Einfluss auf die Erde herabkommt. - Zunächst ist es wichtig, festzuhalten, dass es zwei voneinander zu unterscheidende Tierkreise gibt, die in der hellenistischen Zeit zwar hinsichtlich ihrer Namen und ihrer sehr groben kosmographischen Zuordnung aufeinander bezogen waren, allerdings auf eine ganz unterschiedliche Genese aus ihren mesopotamischen Ursprüngen (evt. mit ägyptischen Anteilen) zurückzuführen sind. In nachhellenistischer Zeit löste sich die kosmographische Zuordnung durch die Präzession des Frühlingspunktes und es blieb bis heute nur die Namensgebung als Bezug zwischen beiden Tierkreisen.
Eine häufig geäußerte Kritik an der modernen Astrologie geht hingegen davon aus, dass es Astrologen bis heute versäumt hätten, Tierkreiszeichen und gleichnamige Sternbilder zu unterscheiden. Würde die heutige Astrologie anerkennen, dass sich tropischer und siderischer Tierkreis seit der hellenistischen Zeit zueinander erheblich verschoben haben, müssten sie auch anerkennen, dass Tierkreiszeichen in Wirklichkeit wirkungslos sind. Dieser Einwand legt die genannte Präzession des Frühlingsäquinoktiums zugrunde, die eine allmähliche Verschiebung des tropischen gegenüber dem siderischen Tierkreis zur Folge gehabt hat. (…)
Eine Kritik an dieser Kritik ergibt sich religionswissenschaftlich sowohl in historischer Hinsicht als auch bezogen auf die Astrologie der Gegenwart. Der Tatbestand der Präzession ist sowohl den antiken als auch den modernen Astrologen bekannt. Der Astronom und Astrologe Hipparch von Nicäa (190-120 v. u. Z.) gilt als ihr Entdecker, Claudius Ptolemäus (100-178 u. Z.) hat die Werte der Präzession für seine Zeit neu bestimme", dennoch setzt er in der astrologischen Tetrabiblos die tropischen Tierkreiszeichen voraus. In der modernen Astrologie beziehen Carl Gustav Jung und Thomas Ring die Präzession bewusst in ihre astrologischen Weltbilder mit ein582 und fast jedes moderne Astrologiebuch, das sich als Lehrbuch oder Einführung versteht, erklärt die Präzession und den Unterschied von tropischem und siderischem Tierkreis.“ Auf einen Nenner gebracht: Antike Astrologen wissen um die Präzession, nutzen aber dennoch den tropischen Tierkreis; die modernen Astrologen wissen auch um die Präzession und reagieren auf die vorgetragene Kritik mit dem Argument, dass die Sternbilder „keine Rolle für die astrologische Deutung spielen."
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