Zweites Gespräch: Astrologie und Horoskopie
Gegner: Es will mir scheinen, dass Sie mit der Astrologie eine heute bereits überwundene Lehre verteidigen. Überwunden von Ihren eigenen zeitgenössischen Kollegen, die sich ja mit Vorliebe „Kosmologen,“ „Kosmosophen,“ „Astro-Psychologen“ und ähnlich nennen. Aus ihrer ängstlichen Vermeidung der Bezeichnung „Astrologe“ ist wohl zwanglos zu folgern, dass es ihnen äußerst peinlich ist, mit den antiken und mittelalterlichen sternguckerischen Wahrsagern auf eine Stufe gestellt zu werden. Das aber spricht doch klar und deutlich gegen eine Wertschätzung der Astrologie durch die Astrologen selbst. Ich wage auch, sie zu verdächtigen, sich durch diese wissenschaftlich klingenden Titelchen einen wissenschaftlichen Nimbus zu verschaffen, wahrscheinlich verbunden mit der Hoffnung, sich doch noch durch ein Hintertürchen in die offizielle Wissenschaft einzuschleichen.
Astrologe: Ihre Verdächtigung, wie Sie es nennen, ist insofern zutreffend, als tatsächlich viele der heutigen Astrologen intensiv bemüht sind, die Anerkennung der offiziellen Wissenschaft zu erringen. Diese Bemühung ist keinesfalls so abwegig, wie Sie wahrscheinlich annehmen. Ich erinnere an die begeisterte Anhängerschaft unter den Wissenschaftlern und füge hinzu, dass ein Psychologe von Weltruf, C. G. JUNG, schrieb, dass die Astrologie heute schon wieder „an die Pforten der Universitäten anklopfe.“ Man sollte das Klopfen also nicht ganz überhören oder gar sich taub stellen!
Es ist auch zu bedenken, dass die Astrologie als vogelfreie Kunst jeden Schwachkopf, Scharlatan und Betrüger berechtigt, sich als den größten Astrologen der Gegenwart zu bezeichnen und durch Schriften, öffentliche Vorträge unrühmlich zu glänzen und (in Deutschland je nach Landesverordnung) auch private Weissagungen an den Mann und mehr noch an die Frau zu bringen. Diese Strauchritter der Astrologie haben durch ihr ebenso einträgliches wie sinistres Gewerbe denn auch eine fast völlige Diffamierung der Lehre zuwege gebracht. Ist es angesichts dieser Situation verwunderlich, dass sich einige wissenschaftlich gebildete Astrologen im Interesse der Distanzierung „Astro-Psychologen“ oder „Kosmobiologen“ etc. nennen? Leider ist die beabsichtigte Distanzierung nicht gelungen, denn die geschäftstüchtigen Astralstrolche gebrauchen und missbrauchen diese Bezeichnung auch schon längst für ihren Geschäftsbetrieb.
Gegner: Das alles verstehe ich durchaus. Ich selbst würde für mich sogar die allerungeheuerlichste Berufsbezeichnung der Gefahr vorziehen, jemals mit einem Astrologen verwechselt zu werden. Aber schließlich kann man den Astrologen doch auch nicht das Recht zuerkennen, ihre mittelalterlich anmutende Beschäftigung mit unseren Planeten durch einen völlig willkürlichen Titel zu tarnen!
Astrologe: Hier muss ich widersprechen. Von einer Tarnung kann nicht die Rede sein. Astrologie ist tatsächlich Kosmobiologie! Ja, noch mehr: sie ist die Kosmobiologie schlechtweg: außer der Astrologie gibt es keine andere Lehre, die so von Grund auf und durch und durch mit allen Konsequenzen Kosmobiologie wäre. Der Beweis ist einfach: die Kosmologie beschäftigt sich mit den Vorgängen im Kosmos, insbesondere in unserem Sonnensystem, die Biologie beschäftigt sich mit den Lebenserscheinungen auf unserem Planeten. Die Astrologie erblickt zwischen beiden Vorgängen, oben am Himmel und unten auf der Erde, einen unlösbaren Zusammenhang oder noch richtiger eine geschlossene Einheit! Im Weltbild der Alten lebte der Makro-Kosmos als „großer Mensch“ und entsprach bis in die kleinsten Teile dem Mikro-Kosmos „kleiner Mensch“ auf Erden. Analog der Konstellation (= Zusammenstellung) der Planeten im großen Sonnensystem sind auch unsere Zellen und organbildenden Zellverbände „konstelliert“ (zusammengestellt), so dass aus der makrokosmischen Struktur die mikrokosmische abgeleitet oder abgelesen werden kann. „Der Mensch ist eine Sonne, seine Sinne sind seine Planeten,“ sagte NOVALIS.
Gegner: Und wie steht es mit der Astro-Psychologie? Kommt unsere Psyche etwa auch von den Sternen?
Astrologe: Woher sie kommt und wohin sie geht, das weiß kein Mensch. Aber dass die Eigenart einer menschlichen Psyche mit der äußeren Erscheinungsform des Menschen in engstem Zusammenhang steht, bestreitet heute kein Einsichtiger mehr. Wenn auch die Physiognomiker noch vor zwei und drei Jahrzehnten verlacht und ein Schüler des Begründers der Phrenologie, Dr. med. GALL, von dem Philosophen LICHTENBERG noch mit den Worten verspottet wurde: „Da lehrt ein leerer Schädel leeren Schädeln Schädellehre,“ so ist diese Heiterkeit gewichen, nachdem der bekannte Arzt Professor Dr. KRETSCHMER in seinem epochemachenden Werk „Körperbau und Charakter“ den Nachweis dieses Zusammenhangs wissenschaftlich einwandfrei erbrachte. Daraus aber folgt, dass auch die psychische Anlage aus den Gestirnkonstellationen gefolgert werden kann, wenn – wie ich schon ausführte – die körperliche Anlage stets entsprechend konstelliert ist. Für einen in Entsprechungen denkenden Menschen ist es überhaupt eine Selbstverständlichkeit, dass die äußere Form den seelisch-geistigen Inhalt offenbart. „Alles Äußere ist ein in Geheimniszustand erhobenes Inneres“ sagte NOVALIS, und Ludwig KLAGES drückt den gleichen Sachverhalt durch sein schönes Wort aus: „Der Leib ist die Erscheinung der Seele, und die Seele ist der Sinn des lebendigen Leibes.“
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