Die Astrologie ist ein System zur Beschreibung der Welt, um sich in dieser zurechtzufinden. Will die Astrologie ernstgenommen werden, muss sie die Muster hinter dem Denken aufzeigen und gesellschaftliche Zusammenhänge kritisch beschreiben. Die Themen:
- Zeit und Vorhersage
- Foucault und die Episteme des "großen Zyklus"
- Mythos und System
- Väter und Söhne
- Die Uranus/Chiron-Opposition von 1953 bis 1985
- Merkur, Macht und der "symbolische Interaktionismus"
- Max Weber: Idealtypus und Werturteilsfreiheit
- Deutsche KanzlerInnen
- Rollenspiel im Horoskop
- Der ethische Imperativ
Einleitung
Für die Astrologie ist vor allem das Erleben von Zeit, die individuelle Verortung des Ichs in Vergangenheit und Zukunft, von Interesse, das Thema des ersten Aufsatzes Zeit und Vorhersage. Im phänomenologischen Sinne ist Zeit weder eine physikalische Konstante, noch ein den Prozessen des Gehirns vorausgehende Ordnungsinstanz, wie Kant es sah, sondern etwas, das mit unserer Beschreibung über die Welt erscheint. Indem wir die Geschichte so erzählen, wie wir sie erfahren haben, „erfinden“ wir quasi auch unseren persönlichen Zeitbezug und indem von Interessen geleitete Gruppen dies tun, ergibt sich eine konstante Entwicklung, die allerdings dem Duktus des Erzählers unterworfen ist. Niklas Luhmann beschreibt in seiner soziologischen Systemtheorie Zeit als Resultat des Ordnungsbestrebens des Systems. Sie entsteht dort, wo das System Aktualisierungen vornimmt, die sie selbst noch nicht fertig interpretiert hat. Das ist ein rekursiver Prozess, der sich in viele Einzelteile zersplittert. Das Einteilen in vorher und nachher macht weitere Operationalisierungen und Differenzierungen notwendig. Das System schreibt so seine eigene Geschichte, während es operiert. Gleichzeitig kann es aber nicht wahrnehmen, was es nicht sieht. Es ist blind für die von ihm vorgenommenen Änderungen. Zeitliche Verordnung ist im Sinne Luhmanns ein Resultat der Produktivität eines Systems, dass sich seiner Kategorien und Operationen immer wieder selbst versichern muss, um anschlussfähig zu bleiben. Oder anders ausgedrückt: Ohne Institutionalisierung des Lebens bräuchte es keine künstlichen Zeitkategorien. Astrologie ist die direkte Folge der Zivilisation und ihrem Bedürfnis nach zeitlicher Verordnung.
Die Aufgabe der Astrologie im Kommunikationswirrwarr ist die Bereitstellung einer unabhängigen Referenzzeit und die Justierung der Ereignisse an verschiedenen Zeitskalen innerhalb periodischer Planetenbewegungen, die dann natürlich auch wieder rückwirkend Einfluss auf unser Schicksal nehmen, indem wir die Geschichte und unsere eigenen Biographie so erzählen lernen, wie durch die Kategorien der „Epochen“ und ihrer „Episteme“ (Glaubenssätze), die sich in den Konstellationen widerspiegeln, vorgegeben ist. Dies funktioniert auch, ohne dass moderne Geschichtsschreiber astrologisch gebildet sind, da ihre Vorbilder durch Jahrtausende alte Mythen geprägt sind. Mythen suchen nach einer Verbindung der Gegensätze. Der Kampf der Dichotomien und diachronischen Merkmale, zwischen modern und alt, links und rechts, zwischen Hierarchie und Laissez-Faire, zwischen Andenken und Komik, zwischen „Sonnenpriestern“ (Heldenmythen) und „Mondpriestern“ (Volksmythen) sind so alt, wie die Vorstellung von Zeit selbst. Sie geben mit Bergson ein Empfinden des Zeitgefühls passend zu der Situation vor.(...)
Im zweiten Aufsatz Michel Foucault und der „große“ Zyklus geht es um einen dieser von der Astrologie beobachteten Zyklen, der die Neuzeit maßgeblich bestimmt. Von 1800 bis 2100 bilden fünf Planeten einen wiederkehrenden Zyklus, der die entscheidenden Wechsel von politischen Zyklen kennzeichnet. Er besteht aus den drei „harten“ Planeten Saturn, Uranus und Pluto auf der einen Seite und aus den beiden „weichen“ Planeten Chiron und Neptun auf der anderen Seite. Foucaults Postulat ist, dass wir mit dem Auftauchen der napoleonischen Armeen und ihrer perfekten Bürokratisierung von Tagesabläufen, Auswertung von persönlichen Daten, usw. Anfang des 9. Jahrhunderts ein Menschenbild gewinnen, das sich aus der Untersuchung von institutionalisierten und eingesperrten Menschen speist. Wer nicht in der Lage zu vierzehnstündigem Arbeitseinsatz war, zur Kasernierung als Soldat oder Verwaltungsangestellter galt forthin als psychisch krank. Foucault beschreibt in „Wahnsinn und Gesellschaft , wie der „Wahnsinnige“ (der mit den Anforderungen der Industrialisierung aus den zunehmend restriktiveren gesellschaftlichen Rastern fiel) sich von einem akzeptierten, integrierten Teil der gesellschaftlichen Ordnung zu einem Symptom entwickelte, das eingeschlossen und von der Wissenschaft begutachtet wurde.
Wurde das Bild des Kranken bis zum 18. Jahrhundert noch ganzheitlich in ästhetische, religiöse und weltliche Anschauungen eingebunden, so folgte mit der Industrialisierung ein zunehmendes Schweigen und Wegsperren, das bis heute in den entsprechenden Institutionen und Anstalten einen Ausschuss des gesellschaftlichen Lebens produziert. Psychologie, Seelsorge und Gesundheitsberatung werden unter die Maßgabe der Effizienz der Organisationen und Unternehmen gestellt und der Mensch psychologisch an seinem Arbeitswert bemessen. In diesem Sinne produzierte die „Gesundheitsindustrie“ für Foucault Krankheit, um ihre eigene Existenz an dieser zu rechtfertigen. Auch im 20. Jahrhundert bestand das Ungleichgewicht zwischen Arbeit und Einkommen, zwischen Anspruch an körperliche Unversehrtheit und der „Abnutzung“ von Arbeitern aus ideologischen Gründen der Gewinnmaximierung oder angepassten Verhalten weiter. Die „Heilung“ von den brutalen Geschehnissen des 19. und 20. Jahrhunderts, die in den Konstellationen von Saturn, Uranus und Pluto nachgezeichnet wurde, lag in dem durch Chiron und Neptun gekennzeichneten geistigen Wachstum und dem Wissen über die spirituellen Hintergründe von anderen Kulturen. Um 1930, 1966 und auch jetzt 2010 kam es innerhalb von gesellschaftlichen Krisen zu Paradigmenwechseln, die ein anderes Verständnis von Zusammenleben möglich machten. Dieser Zyklus wird noch einmal in den Jahren um 2044-2048 und 2096- 2098 exakt, um die Paradigmen des „Wassermannzeitalters“ zu vervollständigen, nach denen der „neue Mensch“ (Foucault) seine Weltgesellschaft entfalten wird.
Im nächsten Beitrag Mythos und System, geht es um die zentrale Verflechtung von Technik, Macht und ihren selbst produzierten Mythen. Als denkender Mensch brauchen wir ein Bild von der Sache, das den Mechanismus von Metaphern, Symbolen und Analogien erklärt. Jeder Fortschritt bedeutet auch eine Verschiebung der Macht hin zu der Symbolik der männlich-technokratischen Eliten. Diese Entwicklung hat über die Jahrtausende dazu geführt, dass die Symbole dieser Macht verabsolutiert und nicht mehr hinterfragbar geworden sind. Die Wissenschaft im Dienste der Technik hat den Mythos sogar ganz aus ihrem Denken entfernt, obwohl sie pausenlos und in immer schnellerem Maße Mythen produziert. Die Wechselwirkung zwischen den Etablierten und der Weisheit des „geschundenen Volkes“ ist in den Mythen nacherzählt. In ihnen liegt die Frage der Durchbrechung von der fast ausweglosen Determination, die unser Leben von klein auf in Raster presst, aus denen es kein Entrinnen zu geben scheint. Es ist nicht schwer vorherzusagen, dass unser Leben, das in zunehmendem Maße von den Gegebenheiten der Computer- und Kommunikationstechnik bestimmt wird, dadurch neue Innenräume und Mythen eröffnen wird. Mit ihnen wächst die Gefahr unsichtbarer totalitärer Räume, die sich in den Weiten des Internets verschlingen und den direkten Diskurs unmöglich machen.
Die Sehnsucht nach „inneren Welten“ wird umso größer, als der Technik im Außen kein wirklicher Lebenssinn abgewonnen werden kann und eine Frustration über die Abhängigkeit und das Fehlen von Zeit im Vordergrund steht. Dies wird zu neuen Formen des Zusammenlebens führen, die auch im Gegensatz zu Technik und totalitärer Staatlichkeit stehen und damit eine völlig neue Form der Konfrontation innerhalb der Frage um Macht und Bestimmung der Zukunft eröffnet. Es ist das Spiel der Erkenntnis, das auf die Symbole und den Versuch zurückführt, Einfluss auf sie zu nehmen. Aus diesem Spiel formen sich die Planeten Saturn und Uranus in gegenseitiger Erwartung der Annahme des jeweils entgegengesetzten Habitus. König und Narr haben seit Anbeginn des Mythos gesellschaftlich definierte Spielräume, innerhalb derer sie die für sie relevante Wirklichkeit gestalten können. Der Astrologe als psychologischer Vermittler zwischen den Mächtigen und der „Volksseele“ hat die Verantwortung, gleich ob als Narr oder als König, die Symbole lebendig zu halten. Das Internet ist wie geschaffen für die Kategorisierungen der Astrologie, für das Überlegen einfacher Handlungsschablonen und manipulativer Deutungstechniken. Es ist aber auch ein Weg des Fühlens der dahinterliegenden Bedürfnisse und des Austauschs von wirklichen, authentischen Begebenheiten.
Die Wahl liegt bei jedem selbst. Ein Beispiel von der Art der subtilen Einflüsse staatlicher Ordnung und Unterdrückung liefert der Aufsatz Väter und Söhne. Er zeigt auf, wie die Mechanismen der Erziehung über Jahrtausende des Patriarchats verfestigt worden und Männern wie Frauen gleichermaßen Nachteile bescherte. Frauen leiden unter dem Dogma der männlichen Arbeitswelt, aber Männer leiden auch unter dem Getrenntsein von Familie und Kindern. Beides muss in einem Atemzug genannt werden. Es ist Sache des Mannes selbst, diese Trennung in sich zu überwinden und sich zu emanzipieren und Verantwortung für die eigene Gefühlswelt und ein angenehmes Zuhause zu entwickeln. Dazu muss er sich allerdings von den Erziehungsidealen des „starken Mannes“, des Gewinnstrebens und der einseitigen Durchsetzung von vermeintlich überlegener Macht (sei es die westliche, wissenschaftliche, politische oder sonst einer Konstruktion die authentisches Zusammensein verhindert verabschieden). Geschlechterverschreibungen sind die erste Ebene der Manipulation, mit der wir als Heranwachsende konfrontiert sind. Es ist weniger das biologische Geschlecht, als die soziale Erwartung an die damit verbundene Rolle, die das Verhalten vorgibt. Die historisch gewachsenen Vorurteile und Ungerechtigkeiten sind nur sehr schwer aus den Gehirnen selbst von aufgeklärten und emanzipierten Menschen zu bannen. Als Astrologen sollten wir uns bewusst sein, dass es keinen „Mann im Mars“ gibt, sondern dass Symbole helfen, Erwartungen zu transportieren, die im Wesentlichen durch die Normen der Gesellschaft definiert werden.
Das Kapitel Die Uranus/Chiron Opposition von 1953 bis 1985 verfolgt einen Zeitraum, in dem die meisten der uns heute bekannten Idealtypen geprägt wurden. Vom Homo Sociologicus Dahrendorfs bis zum Homo Academicus von Bourdieu waren es genau 30 Jahre. Dazwischen liegen die Idealbilder der studentischen Aufstände, die sexuelle Revolution und die Emanzipation der Frau, die mehr Mitbestimmung und Freiheit bewirkten, aber auch eine restriktivere Erwartungshaltung an den Einzelnen in Bezug auf Bildung und Status. Mehr und mehr gilt es, sich selbst in Szene zu setzen, wenn man sich von der Masse der umfangreich gebildeten anderen Menschen abheben und seine Rolle innerhalb der Konsumgesellschaft selbst definieren will. Dazu dienen unterschiedlichste Vorbilder, von therapeutischen Methoden über Jugendkulte bis zu modernen Rollenverständnissen innerhalb der Geschlechter.
Der Aufsatz Merkur, Macht und der symbolische Interaktionismus stellt praktisch dar, wie verschieden die Bedeutungsebenen eines Symbols sein können und wie subtil sie auf unsere Vorstellungen einwirken. Anhang dreier Horoskopbeispiele von Obama, Schröder und Sarkozy wird der Einfluss der Planeten Merkur gedeutet und herausgestellt, wie alle drei mit Symbolen der Macht spielen und für sich positive Bilder zu schaffen. Die philosophische Richtung des symbolischen Interaktionismus gibt einen Erklärungshintergrund für die Dynamik des Zusammenspiels des Realen, Imaginären und Symbolischen. Die Macht der Symbole will auch der Artikel „Chiron/Neptun – Die Oxymora des Karls Marx“ aufzeigen. Anhand des Horoskops von Karl Marx erkennen wir einen Hintergrund zu der Kraft seiner Metaphern.
Im Artikel über den Soziologen Max Weber geht es um seine Theorie der Idealtypen und der Werturteilsfreiheit, die auch für die Astrologie eine große Rolle spielt. Weber ist einer der meist gelesenen soziologischen Autoren. Schon Marx hatte deutlich gemacht, dass soziale Anschauungen ein Produkt der Herrschaftsverhältnisse sind und dementsprechend die Arbeiterschaft selbst die Herrschaft über die Produktionsverhältnisse nehmen sollte. Weber ging noch weiter. Es dürfe …niemals Aufgabe einer Erfahrungswissenschaft sein…,bindende Normen und Ideale zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können…Die Schaffung eines praktischen Generalnenners für unsere (gesellschaftlichen bzw. politischen) Probleme in Gestalt allgemein gültiger letzter Ideale …wäre als solche nicht nur etwa praktisch unlösbar, sondern in sich widersinnig . Normen entstehen für ihn aus Idealbildern, denn der amerikanische Kapitalismus war für ihn nicht Folge der Industrialisierung, sondern der calvinistischen Arbeitsethik, die den Wert der Arbeit belohnte.
In dem Aufsatz Deutsche KanzlerInnen – Das Widderprinzip geht es um die Suche nach einem Idealtypus innerhalb einer fest umrissenen Gruppe. Die deutschen NachkriegskanzlerInnen, deren Horoskope allesamt eine signifikante Widderbetonung aufzeigen, lassen sich miteinander in Bezug auf diesen Schwerpunkt vergleichen und den astrologischen Idealtypus des Widders empirisch belegen. Horoskope zu deuten heißt, sich ständig in der Gefahr von Zirkelschlüssen zu bewegen. Um sich einer objektiven Vergleichbarkeit der Konstellationen in Bezug auf Lebensgeschichten zu nähern, ist es hilfreich, ähnliche Biographien anzuschauen.
Der Beitrag Rollenspiel im Horoskop macht deutlich, wie sich ähnliche gesellschaftliche Rollen in unterschiedlichen Horoskopen bemerkbar machen. Wir sehen ja im Horoskop nicht einen eventuellen „Lebenskern“ (dies wäre auch aus systemischen Gründen unmöglich), sondern die Auswirkungen der angenommenen Rollen, die ein Mensch im Leben spielt. Der Artikel vergleicht die Horoskope von Däniken und Heyerdahl, Lennon und Warhol sowie Fischer und Schröder in Bezug auf Achsenbetonungen und die Rolle von Aszendent, Medium Coeli, Deszendent und Imum Coeli. Im letzten Kapitel Der ethische Imperativ steht noch einmal die Frage im Mittelpunkt, inwieweit die Forderung nach einer „starken Determination“ innerhalb der Astrologie ein Menschenbild befördern würde, welches Abhängigkeit und Unterdrückung nicht sieht. Der ethische Imperativ vom Konstruktivisten Heinz von Foerster schlägt eine grundsätzlich offene Haltung gegenüber der Welt und die Anerkennung der Wahrheit des anderen als Grundhaltung vor, so dass Ergebnisse immer im gemeinsamen Prozess erarbeitet werden können und nicht als Wahrheiten von oben herab angeordnet sind. Eine wissenschaftlich betriebene Astrologie muss die zentrale Frage beantworten, wie eine Vorsehung durch die Planeten dem Menschen wirklich nützt und inwieweit ihre Aussagen einen neuen Herrschaftsanspruch manifestieren.
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