In der westlichen Astrologie werden die Planeten mit römischen Götternamen bezeichnet, zur Deutung wird aber in der Regel die griechische Mythologie herangezogen. Die Autorin hat sich auf die Suche nach mythologischen Resten der ursprünglichen Götter Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn gemacht. Dazu musste sie tief in die Religionsgeschichte einzutauchen, denn bekannte römische Autoren wie Ovid, Vergil oder Lukrez haben es damals schon vorgezogen, lieber griechische Mythen nachzuerzählen, als sich auf die eigenen Wurzeln zu besinnen. In der Neuzeit wurden diese Schriftsteller dann als Quellen der Religionswissenschaft herangezogen und bei der Auswertung nicht zwischen Dichtung und eigenständiger italischer Überlieferung unterschieden. Die Weltanschauung und Moral der populären Autoren des 19. Jahrhunderts hat darüber hinaus dazu beigetragen, die römischen Originale fast zum Verschwinden zu bringen. Die noch auffindbaren Überreste römischer Religiosität werden in diesem Buch mit dem gleichnamigen Planetensymbol verglichen; so kann man erkennen, wieviel der antiken Gottesvorstellung in den Archetypen heutzutage noch zu finden ist. Gleichzeitig werden neue Perspektiven eröffnet, die die Erkenntnis der Bedeutung von Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn in der Astrologie bereichern und vertiefen können.
Wer waren die Götter?
Die Planeten unseres Sonnensystems wurden bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts mit den römischen (lateinischen) Namen antiker Gottheiten bezeichnet. Die Namen sind in den westlichen Sprachen mit geringen Anpassungen identisch.
Will man allerdings wissen, wer diese Götter und die Göttin waren, deren Namen hier verwendet werden, trifft man auf ein erstaunliches Phänomen: Dargestellt werden in der Literatur nicht die römischen Götter, sondern ihre griechischen sogenannten Äquivalente. Dies findet man in Bezug auf keine andere antike Religion in dieser Weise: Bei ägyptischen Göttern erhält man die ägyptische Mythologie, bei sumerischen das Pantheon der Sumerer, bei germanischen Göttern wird meist die isländische Edda herangezogen. Selbst bei indianischen und afrikanischen Gottheiten findet man ihre Beschreibung im Zusammenhang der jeweiligen Religion. Nur bei den römischen nicht.
Darüber hinweggesehen werden könnte, wenn man der Auffassung wäre, Namen seien bloß zufällige Buchstabenkombinationen ohne eigene Bedeutung. Dass dem nicht so ist, zeigt unter anderem der Brauch, bei einem radikalen Wechsel der Lebensumstände, z. B. beim Eintritt in ein Kloster, einen neuen Namen anzunehmen. Aus dem Schamanismus und der spätmittelalterlichen Ritualmagie kommt die Auffassung, dass man Macht über alles und jeden hat, dessen (geheimen) Namen man kennt.
Namen haben also eine Bedeutung für den Namensträger, ganz besonders natürlich Namen von Gottheiten, von denen man annehmen kann, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Verehrung täglich und stündlich vieltausendfach angerufen wurden. Es gab ja auch nicht für alle römischen Göttinnen und Götter lateinische Namen: Isis blieb Isis, Mithras blieb Mithras, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wenn die Römer also eigene Namen für diejenigen hatten, die heute noch als Planetennamen verwendet werden, ist die Frage gerechtfertigt, wen sie damit eigentlich bezeichneten.
In der Astrologie wird oft von einer Korrespondenz der Planetensymbole mit den Mythen ihrer Namensgeber ausgegangen. Der Zusammenhang zwischen Mythologie und astrologischen Symbolen wird in vielen Astrologiebüchern zur Erklärung und Verdeutlichung der symbolischen Inhalte verwendet. Dabei werden jedoch die lateinischen Namen der Planeten verwendet, die sich auf römische Götter beziehen, aber die griechischen mythologischen Erzählungen dargestellt. Sollten diese Götter tatsächlich identisch sein? Hier müssen doch Zweifel angemeldet werden.
Nomen est Omen – nicht erst aus der Numerologie ist bekannt, dass auch Namen Inhalte transportieren. Wenn also die römischen Götter zur Benennung der Planetensymbole herangezogen werden, so können die damit verbundenen Botschaften nicht mit den griechischen identisch sein. Es wäre also sinnvoll, bei den Erläuterungen zu den Planetensymbolen die römische Religion zu berücksichtigen. Diese ist jedoch in weiten Teilen nur einem kleinen Kreis von Fachwissenschaftlern bekannt.
Eine Aufgabe dieses Buches soll also sein, das Wissen über diejenigen Götter, die bis heute in Planetennamen verewigt wurden, zusammen zu tragen und in einer für das allgemeine Publikum lesbaren Form darzustellen. Für die praktische Arbeit von Astrologen ergeben sich daraus Bereicherungen im Verständnis der Planetensymbole, die bis in die Deutungspraxis hinein wirken können.
Die Römer setzten in ihrer oberflächlichen INTERPRETATIO ROMANA Götter der unterschiedlichsten Pantheons anhand einiger Zuständigkeiten, Attribute oder Eigenschaften einander einfach gleich. Von Carl Gustav Jung wurden diese Übereinstimmungen mit seiner Theorie der „Archetypen" erklärt. Er versteht darunter Urbilder menschlicher Vorstellung, die unabhängig von der speziellen Kultur jedem Menschen eigen sind. Auch er ist dabei von der jahrhundertealten Vorstellung geprägt, dass Gottheiten mit mehr oder weniger übereinstimmenden Attributen und Zuständigkeiten eigentlich dieselben seien. Dies wird heutzutage von Religionswissenschaftlern durchaus kritisch gesehen. Und wenn man Götter als tatsächlich existierende Entitäten ansieht, stimmt es schon gar nicht. Wie wenig einige Übereinstimmungen „beweisen" können, dass es sich um dieselbe Person handelt, sei mit einer kleinen Erzählung von GardenStone illustriert:
„Die beiden Namen Fritz und Fred hängen beide zusammen mit Friedrich und kommen etymologisch von fridu und rihi. Das bedeutet so etwa "Herrscher, der den Frieden handhabt und schützt gegen Waffengewalt" –Fritz wohnt im Allgäu und Fred in der Pfalz:
Sie sind gleich alt und sehen aus, als ob sie Zwillinge seien. Sie haben beide ihr Abitur mit Zwei bestanden und arbeiten als Bankdirektoren. Sie sind verheiratet, haben zwei Kinder, deren Mütter feurige rote Haare haben. Beide sind evangelisch, gehen aber sonntags nicht zur Kirche, vielleicht auch, weil sie an den Wochenenden gerne auf Trödelmärkten nach alten Büchern suchen. In ihrer Freizeit tragen sie gern schwarze Kleidung und hören dann laute Metal-Musik. An Arbeitstagen fahren sie in ihrem dunkelblauen Dienstwagen um die 20 km zur Arbeit. Dennoch ist der Allgäuer nicht identisch mit dem Pfälzer, sie kennen einander auch gar nicht." (Der Merkur-Wodan-Komplex, S. 154)
Sollte sich herausstellen, dass die römischen Götter den heutigen astrologischen Symbolen mehr entsprechen als ihre Vorgänger, so bleibt ein wichtiger Mangel: Es gibt keine entsprechenden mythologischen Erzählungen über sie. Aber vielleicht findet sich ja ein moderner Geschichtenerzähler, der diese Lücke füllt ...
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