Der Atlas der Sternbilder ist einzigartig: Erstmals ist der gesamte Himmel in großformatigen Farbphotos hervorragender Qualität abgebildet. Die Übersichtsaufnahmen mit einer Seitenlänge von etwa 60 Grad x 60 Grad stellen die 88 Sternbilder des Nord- und des Südhimmels in ihrer vollen Ausdehnung dar. Sie lassen nicht nur die Eigenfarben der Sterne und anderer Himmelsobjekte wie z.B. Gasnebel erkennen, sondern zeigen das nächtliche Firmament so, wie es der Betrachter sieht. Mit einer besonderen Aufnahmetechnik ist es gelungen, die Helligkeitsunterschiede der Sterne so auf dem Film abzubilden, wie das Auge sie wahrnimmt. Dadurch treten die Gruppierungen der hellsten Sterne, die seit alters zu mythologisch interpretierten Figuren zusammengefaßt werden, markant aus dem Gewimmel der unzähligen lichtschwächeren Sterne hervor."Nahaufnahmen" zahlreicher Galaxien, Sternhaufen und Nebel, farbige Karten mit allen mit dem bloßen Auge sichtbaren Sternen sowie Erklärungen zur Mythologie vervollständigen den Atlas zu einem astronomischen Wegweiser in doppeltem Sinne: Ausgehend von der Zeit, in der erstmals versucht wurde, Ordnung in die Erscheinungen des Himmels zu bringen, führt er hin zu dem aktuellen Forschungsstand der Astronomie; und er bietet anhand seiner Photographien, Illustrationen und Beschreibungen eine ausgezeichnete Orientierungshilfe für alle, die den Blick zum Firmament richten.
Orion
Dieses Sternbild ist eines der bekanntesten, weil es trotz seiner mittleren Größe einige sehr helle Sterne enthält, die eine markante Figur am Firmament zeichnen, und es überdies wegen seiner Lage auf dem Himmelsäquator von allen Teilen der Welt zu sehen ist. Vier der hellsten Sterne bilden ein etwas verzerrtes Rechteck, in dessen Mitte drei gleich helle Sterne auf einer diagonalen Linie aufgereiht sind, die man als "Gürtel" oder "Jakobsstab" bezeichnet. Wegen seiner prächtigen Erscheinung wird die Größe dieses Sternbildes meist überschätzt, doch bietet es allerlei lohnende Beobachtungsobjekte. Orion ist eines der ältesten Sternbilder und stellt einen hünenhaften Kämpfer dar, der schwerttragend und keulenschwingend den wütenden Angriff eines Stieres abwehrt, dessen Kopf und Hörner am Himmel durch den offenen Sternhaufen der Hyaden und die Sterne b und z Tauri im benachbarten Sternbild Taurus symbolisiert werden.MythologieSchon die Griechen der Antike erinnerten sich an Orion als großen Jäger aus längst vergangenen Zeiten. Möglicherweise hat die Orion-Sage ihren Ursprung im sumerisch-babylonischen Gilgamesch-Epos aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend. Dieser Dichtung zufolge war Gilgamesch, der König von Uruk, zwei Drittel Gott und ein Drittel Mensch. Seine Gestalt war offenbar recht ansehnlich, und seine Kräfte galten als in jeder Hinsicht vollkommen. Ihm zur Seite stand sein Freund Enkidu, ein in der Steppe geborener Jäger, der als eine Art Urmensch mit behaartem Körper geschildert wird, dessen Kräfte denen Gilgameschs aber nicht nachstanden. Als Gilgamesch das Werben der Liebesgöttin Ischtar ausschlug und sie beleidigte, wandte diese sich im Zorn an ihren Vater, den Himmelsgott Anu, und forderte die Herausgabe des Himmelsstieres, um in Uruk schweres Unheil anzurichten. Das Herabsteigen des Himmelsstieres hätte eine siebenjährige Hungersnot zur Folge gehabt. Doch den beiden Helden gelang das Unmögliche: Während Enkidu das schnaubende Tier am Schweif packte und festhielt, tötete Gilgamesch es durch einen zielsicheren Hieb mit seinem Schwert.Die Sagen um den sumerischen König haben einen geschichtlichen Hintergrund; Gilgamesch hat vermutlich wirklich gelebt, und zwar um das 27. Jahrhundert v. Chr. in einer Zeit, als die aus Zentralasien nach Mesopotamien eingewanderten Sumerer Stadtstaaten gegründet hatten und die älteste Schrift der Menschheit entwickelten. Gilgamesch könnte mit der alttestamentarischen Gestalt des Nimrod eines Nachkommen von Noah identisch sein, der als "großer Jäger vor dem Herrn" (1. Mose 10, 8f.) galt und sowohl als Begründer mesopotamischer Städte wie Babel, Uruk und Nimrud wie auch als erster Gewaltherrscher auf Erden angesehen wird.Im griechischen Mythos ranken sich um Geburt, Leben und Tod des Orion verschiedene Legenden. Nach einer war er der riesenhafte Sohn des Meeresgottes Poseidon, der die Insel Chios von wilden Tieren befreite, aber auch versuchte, die Königstochter Merope mit Gewalt zu nehmen. Von ihrem Vater zur Strafe geblendet, gelang es ihm, nach Osten in Richtung des Sonnenaufgangs zu eilen und von den Strahlen des Tagesgestirns geheilt zu werden. Dort entbrannte Eos, die Göttin der Morgenröte, in Leidenschaft zu ihm; doch weil ihr die göttliche Verwandtschaft den kraftvollen jungen Mann nicht gönnte, erschoß die Jagdgöttin Artemis ihn mit einem Pfeil. Nach einer anderen Version war es Artemis, die angesichts des schönen Jägers erwog, ihr Keuschheitsgelübde zu brechen. Um dies zu verhindern, griff ihr Zwillingsbruder Apollon zu einer List: Als Orion einmal weit draußen im Meer schwamm, überredete er Artemis, ihre Kunst des Bogenschießens unter Beweis zu stellen, indem sie den kleinen Gegenstand in den Wellen treffen sollte. Ohne es zu wissen, durchbohrte Artemis mit ihrem Pfeil den Geliebten; schmerzerfüllt versetzte sie ihn anschließend an den Himmel. Weitere Varianten erzählen von einem Skorpion, der Orion mit seinem Stachel tötete entweder weil der Jäger wegen seiner Prahlerei, er könne jedes Tier der Erde erlegen, den Zorn der Erdgöttin auf sich gezogen hatte, oder weil er versuchen wollte, die jungfräuliche Artemis zu mißbrauchen. Orion und Skorpion wurden sodann an entgegengesetzten Stellen des Himmels verewigt, so daß der Jäger immer dann unter den Horizont im Westen flieht, wenn das Spinnentier im Osten aufsteigt.Nach einer weiteren Erzählung hatte Orion nicht nur Poseidon zum Vater, sondern zu gleichen Teilen auch Zeus und Hermes. Und das kam so: Als die drei Götter eines Abends gemeinsam unterwegs waren, wurden sie von einem alten Bauern names Hyrieus freundlich in seiner Hütte aufgenommen und bewirtet. Hyrieus gab ihnen reichlich Wein und schlachtete sogar seinen einzigen Stier, um die Gäste zu verköstigen. Nach dem Mahl fragten die drei, ob sie ihm einen Wunsch erfüllen könnten. Nun ja, sagte der Alte, er wünsche sich einen Sohn, doch seine Frau sei schon vor Jahren gestorben, und ein Treueschwur würde ihn hindern, eine andere zu haben. Da praktizierten die drei Götter etwas, was als frühzeitliche Version der künstlichen Befruchtung gelten mag: Sie traten an die noch auf dem Boden liegende Haut des Stieres, näßten sie und deckten sie mit Erde zu. Nach der durchaus üblichen Zeit kam ein Riesenbaby hervor, das Hyrieus nach der Art des Zeugungsvorgangs Urion nannte, woraus später Orion wurde.Andere Kulturkreise verbanden weniger spektakuläre Ereignisse und Gestalten mit diesem Sternbild. Die Ägypter sahen in ihm den Gott Osiris, den Herrscher des Totenreiches, der auch die Saat sprießen und gedeihen ließ und so eine magische Wiederbelebung der Bestatteten symbolisierte. Auch Gerätschaften wurden in dieser Sterngruppierung gesehen: Brasilianische Indianer erkannten ein Gestell zum Trocknen von Maniokknollen, Südseeinsulaner ein Kriegsboot und die Germanen einen Hakenpflug.
Besondere ObjekteDer eindrucksvolle Anblick des Orion ist darauf zurückzuführen, daß man in dieser Richtung in eine relativ nahe Konzentration aus Sternen und interstellarem Gas hineinsieht, in der sich noch immer Sterne bilden. Riesige Wolken aus Gas und mikroskopisch feinen Staubpartikeln verdichten sich an manchen Stellen derart, daß in ihrem Inneren die Materie infolge ihrer Schwerkraft zusammenstürzt und neue Sterne entstehen läßt. Bereits mit einem kleinen Fernglas kann man den bekannten Orion-Nebel M42 sehen, der ein riesiges Sternentstehungsgebiet in einer Entfernung von etwa 1500 Lichtjahren ist; er stellt mit einigen dicht zusammengedrängten jungen Sternen das "Schwertgehänge" des Orion dar. Auf langbelichteten Photographien lassen sich zahlreiche weitere helle Gas- und dunkle Staubnebel erkennen.Während diese Nebel das Licht dahinter stehender Sterne streuen und absorbieren, befinden sich die hellsten Sterne in dieser Konstellation weit näher an unserem Sonnensystem, so daß sie ungehindert sichtbar sind. In mehrfacher Hinsicht bemerkenswert ist der zweithellste Stern, a Orionis oder Betelgeuse (im deutschen Sprachraum aufgrund eines Übertragungsfehlers in historischen Himmelsatlanten meist "Beteigeuze" geschrieben), der die rechte Schulter des Orion markiert. Er ist ein wahrer Sternengigant, ein sogenannter Roter Überriese, der noch relativ jung, aber leuchtkräftiger ist als die meisten anderen Vertreter dieser Sternklasse. Im Vergleich zur Sonne strahlt er mit der mehr als 10000fachen Helligkeit und weist den 500- bis 800fachen Durchmesser sowie die etwa 20fache Masse auf; in ihm hätte die Sonne mitsamt der Bahnen von Merkur, Venus, Erde und Mars bequem Platz. Die Oberflächentemperatur dieses Riesen ist mit etwa 3000 Kelvin recht gering, weshalb er in einem rötlich-gelben Licht leuchtet. Sein großer Durchmesser und die Entfernung von nur 310 Lichtjahren zur Erde haben es dem Hubble-Weltraumteleskop mit seinem hohen Auflösungsvermögen ermöglicht, die Oberfläche dieses Sterns zu photographieren. Betelgeuse ist damit der erste Stern jenseits der Sonne, dessen Oberfläche direkt abgebildet werden konnte und das, obwohl er von der Erde aus nur so groß erscheint wie ein Stecknadelkopf in neun Kilometern Entfernung.Mit einem Alter von nur wenigen Millionen Jahren ist Betelgeuse ein sehr junger Stern. Wegen seiner enormen Ausmaße ist er aber nicht stabil: Seine Helligkeit variiert halbregelmäßig mit einer Periode von etwa 2110 Tagen zwischen 1,m3 und 0,m1, und er bläst beständig Materie ab in ungefähr 100000 Jahren eine Sonnenmasse. In nicht allzu ferner Zeit wird Betelgeuse wohl als Supernova explodieren; am irdischen Himmel wird dieser Stern dann für mehrere Wochen oder Monate um ein Vielfaches heller leuchten als der Vollmond.Der Stern b Orionis oder Rigel ist mit einer scheinbaren Helligkeit von 0,m1 noch etwas heller als Betelgeuse. Er ist ein sogenannter Überriese, der im bläulich-weißen Licht mit der 60000fachen Leuchtkraft der Sonne strahlt und etwa 900 Lichtjahre von der Erde entfernt ist.
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