Systemisches Denken hat unsere Vorstellung von der Welt verändert. Zunächst geht der Autor der Frage nach, wie leicht sich systemisches Gedankengut mit astrologischer Tradition verknüpfen lässt und wie gut astrologisches Wissen davon profitieren kann. Im zweiten Teil entwickelt er eine systemische Deutungspraxis. Gut nachvollziehbar werden Schritt-für-Schritt-Anleitungen vorgeschlagen, die das Eingebunden-Sein des Menschen in die Welt transparenter machen können. Im letzten Teil dreht sich alles um die Beratungspraxis auf systemischer Basis: Wie verändert der systemische Ansatz unsere Vorstellungen über eine gute Beratung? Welche Methoden begünstigen ein lösungsorientiertes Vorgehen? Wie werden aus Problemen Lösungen? Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Einbettung astrosystemischer Aufstellungsarbeit in das Beratungsgeschehen. Mehr als alles andere zielt dieser Ansatz auf die Verbesserung der astrologischen Arbeit mit Menschen ab und möchte die Kompetenz des beratenden Astrologen stärken.
Planeten – Beziehungskräfte im Horoskop
In meiner astrosystemischen Deutungspraxis sind Planeten und Häuser die beiden wichtigsten Stützpfeiler. Die Tierkreiszeichen spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Ich orientiere mich an dem, was ich „Astro-Logik“ nennen möchte: die Ableitung astrologischen Wissens aus der Anschauung des Himmels. In den sumerischen Anfängen unserer Astrologie wurden die Planeten „wilde Schafe" genannt, im Vergleich zu den „zahmen Schafen", den Fixsternen. Wild deshalb, weil sie, so scheint es, ein Eigenleben führen, ihren Platz ständig verändern, mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung laufen.
Planeten, so könnte man sagen, führen ein Eigenleben, während die Zeichen und Häuser in einer starren Struktur gebunden sind und in einem festen und unverrückbaren Muster aufeinander bezogen bleiben müssen: Die Reihenfolge im Tierkreis und des Häuserkreises ist unveränderbar. Die Planeten hingegen haben die Freiheit, sich im Horoskop beliebig zu platzieren. Jeder Planet kann in jedem Zeichen und in jedem Haus zu stehen kommen. Und auch in ihrer Bezogenheit aufeinander, die sich in den Aspekten ausdrückt, gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Begrenzungen: Zwischen Konjunktion und Opposition ist zwischen zwei Planeten alles möglich.
Allein dieser Umstand erzählt uns etwas sehr Wichtiges über die Wandelsterne, die Wanderer am Himmel: Während Häuser Lebensbereiche markieren, in denen wir „zu Hause" sind, und sich im Muster der Tierkreiszeichen eine durchdachte Ordnung von Erlebnisqualitäten zeigt, haben Planeten mehr mit jenen Kräften in uns zu tun, die in Bewegung sind, sich immer wieder zu neuen Mustern – zum Beispiel in den Aspekten – zusammenschließen, sich dann aber wieder voneinander lösen, einander begegnen, sich wieder trennen, sich miteinander verbinden, um dann wieder eigene Wege zu gehen.
Planeten scheinen sich immer wieder neu zu organisieren, gehen immer wieder neue Beziehungen zueinander ein und zeichnen immer wieder neue Muster an den Himmel. Das aktuelle Muster der Planeten ist etwas Unwiederbringliches. So wie die Planeten im Moment am Himmel stehen, wie sie sich aufeinander beziehen, werden wir sie nie wieder vorfinden.
Doch erst wenn die Planeten, Häuser und Zeichen im individuellen Horoskop zusammenspielen, bilden sie das ganze Erfahrungsspektrum des Menschen ab. Jeder Mensch erlebt seine Persönlichkeit von diesen beiden Seiten der Veränderung und Entwicklung (Planeten) einerseits und der Beständigkeit und Kontinuität andererseits (Häuser und Tierkreis).
Das, was wir als beständig in uns erleben, können wir unsere Identität nennen: Darin verkörpert sich all das, was uns über alle Phasen unseres Lebens hinweg die Gewissheit gibt, ich zu sein – ob mit fünf, fünfzehn, fünfunddreißig oder fünfzig Jahren. Und doch sind wir in diesen Lebensphasen auch immer anders gewesen: Es besteht ganz offensichtlich ein Unterschied zwischen dem Fünfjährigen und dem Fünfzigjährigen – wir haben uns entwickelt.
Aus diesen Überlegungen lässt sich eine einfache Idee zur Deutung ableiten:
- Häuser geben Auskunft über das, was ein Mensch als seine Identität erlebt. Sie spiegeln die Erfahrung, dass es einen roten Faden in der Vielfalt meiner Erlebnisse gibt und dass mein Leben auf etwas Gleichbleibendem ruht, unabhängig von allen Veränderungen, die ich durchlebe. Auf dieses Gleichbleibende beziehen wir uns gewöhnlich, wenn wir von „Ich“ sprechen. Ich bezeichne dieses Gleichbleibende als das Wesen.
- Planeten erzählen etwas über die Entwicklungen eines Menschen, denn sie bilden die Erfahrungen ab, die uns als veränderliches Wesen kennzeichnen. Sie erzeugen im Rahmen der Kontinuität unseres Wesens Unterschiede und ziehen damit Trennlinien zwischen Zuständen unserer Persönlichkeit, sowohl zeitlich („Ich heute – ich früher“) als auch innerlich („ein Teil in mir, ein anderer Teil in mir“). Das, was sich in uns entwickelt, nenne ich die Person.
Konstellationen
Eine astrosystemische Deutungspraxis berücksichtigt die Prinzipien des systemischen Denkens stärker als andere astrologische Richtungen. Für sie gilt vor allen Dingen: Ein Ansatz ist dann systemischer als ein anderer, wenn er von Einzeleigenschaften der Elemente eines Systems absieht und sich mehr auf die Wechselwirkungen (Beziehungen) der Elemente im System konzentriert.
Ganz konkret heißt das: Den Einzelfaktoren eines Horoskops wird weniger Bedeutung geschenkt als ihren Wechselwirkungen mit anderen Horoskopfaktoren. Daraus folgt, dass ein Horoskopfaktor (Planet, Haus, Zeichen) für sich genommen keinen eigenständigen Wert hat, sondern seine Bedeutung erst im Zusammenhang mit einem anderen Horoskopfaktor erhält.
Ein Beispiel: Jupiter ohne den Zusammenhang, in dem er im Horoskop auftaucht, ist bedeutungslos. Nun mögen Sie beispielsweise einwenden: „Jupiter ist doch das Prinzip der Expansion!“ Das ist richtig, aber überlegen Sie: Was ist das für eine Aussage? Im Grunde sagen Sie nichts anderes aus, als dass es dieses Prinzip gibt, aber das ist nicht besonders bedeutsam für das Individuum, in dessen Horoskop Jupiter steht. Es ist keine Information, denn diese Aussage macht keinen bedeutsamen Unterschied, denn in jedem Horoskop steht Jupiter irgendwo. Erst wenn Sie beginnen, Jupiter im Zusammenhangmit anderen Horoskopfaktoren zu beschreiben, können Sie Unterschiede erzeugen: Jupiter in Haus [3] ist etwas anderes als Jupiter in Haus [4] – und dies ein relevanter Unterschied zwischen zwei Horoskopen. Für die Deutungspraxis bekommt Jupiter also erst dann einen Wert, wenn wir uns fragen: Expansion in Bezug worauf?
Diese Überlegung ist vielleicht so einfach wie einleuchtend, aber ihr wird in der Praxis zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Denn wenn ich Sie fragen würde, was die kleinste Einheit in einem Horoskop ist, dann würden Sie vielleicht antworten: ein Planet, ein Zeichen, ein Haus. Doch weder Planeten noch Zeichen noch Häuser können isoliert in einem Horoskop auftauchen – sie stehen immer in einem Zusammenhang mit einem anderen Horoskopfaktor. Es gibt in keinem Horoskop einfach nur Jupiter – es gibt immer nur Jupiter in Bezug zu einem Faktor X, also zu einem anderen Planeten, einem Haus und einem Zeichen.
Dies führt auch zu der Überlegung, dass die kleinste bedeutsame Einheit eines Horoskops nicht ein isolierter Horoskopfaktor sein kann, sondern mindestens aus zwei Horoskopfaktoren bestehen muss. Diese kleinste Einheit bezeichne ich als Konstellation.
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