1.2. Die Kraft der Symbolik
Wenn wir uns mit der Symbolik befassen, stellt sich die Frage, welches Tarotspiel wir nun am besten benutzen. Die Auswahl ist groß, es gibt beispielsweise das Spiel von Visconti-Sforza, oder das Tarot de Marseille, oder ein sehr populäres wie das Rider-Waite Tarot, oder aber sehr schöne und kontroverse wie das Crowley Tarot, und noch viele andere mehr.
Viele Menschen haben ihr eigenes Tarotspiel entworfen oder Varianten zu bestehenden Spielen entwickelt. Jede Abbildung ruft unwillkürlich bestimmte Assoziationen in uns hervor. Sie schwingen tatsächlich mit Inhalten unseres Unbewussten mit, die durch die Abbildungen aktiviert werden. Es können bestimmte Emotionen ausgelöst werden, beispielsweise wenn man eine bestimmte Abbildung sehr schön findet und seine Augen kaum noch davon lösen kann. Das Gefühl erzählt uns im wesentlichen, was mit uns los ist. Möglich ist auch, dass eine bestimmte Abbildung oder ein Teil einer Abbildung Grausen in uns auslöst. Vielleicht empfindet man auch eine weniger spezifische Emotion als Unruhe, als „etwas", das man nicht benennen kann.
Obwohl wir uns dessen oft nicht bewusst sind, aktivieren Bilder, ob nun ein Tarotspiel oder das Fernsehen, sehr vieles in unserem Unbewussten und dienen uns prächtig als Spiegel all dessen, was sich in unserem Inneren abspielt. Wir müssen nur lernen, einen Blick dafür zu entwickeln.
Beim Tarot kommt aber noch etwas hinzu. Bei einem symbolisch gut zusammengestellten Tarotspiel werden wir nicht nur von den Abbildungen ergriffen, sondern vor allem von den Symbolen, die etwas in uns wachrufen, das uns den Weg weist, wie wir aus einem bestimmten Problem herauskommen. Dieser so wichtige Prozess vollzieht sich größtenteils in unserem Unbewussten, außerhalb der Sichtweise unseres rationalisierenden Bewusstseins. Daher können wir manchmal kaum erkennen, wie sehr uns gute symbolische Abbildungen unterstützen können; vergleichbar mit der Rolle, die Märchen für Kinder spielen können.
Das Märchen ist reich an Bildern, die eine symbolische Grundlage haben, auf die Kinder ganz selbstverständlich reagieren, während die meisten Eltern sie bestenfalls für merkwürdige Geschichtchen halten. Die zugrunde liegenden Botschaften, die die Bilder vermitteln, unterstützen das Kind in seiner Entwicklung. Das Märchen vom Rotkäppchen handelt beispielsweise von einem Mädchen, das trotz der Warnung der Mutter den Waldweg verlässt, um auf den Rat des Wolfes hin tief in den Wald zu laufen, um dort die schönsten Blumen zu pflücken. In der Zwischenzeit läuft der Wolf zum Häuschen der kranken Großmutter, der Rotkäppchen einen Besuch abstatten will. Er frisst die Großmutter, und als Rotkäppchen beim Häuschen ankommt, erwartet sie das gleiche Schicksal. Aber glücklicherweise kommt der Jäger gerade noch rechtzeitig, er schneidet den Bauch des Wolfes auf, und Rotkäppchen und die Großmutter kommen unbeschadet wieder heraus. Rotkäppchen ist also bald mit ihrer Mutter wieder vereint.
Ich habe viele Kinder erlebt, für die dieses Märchen in einer bestimmten Phase (häufig im Alter von etwa 3 Jahren) zum Lieblingsmärchen wurde. Die Eltern mussten es immer wieder vorlesen. Und im Verlauf der Zeit, oft nach vielen Monaten, war das Thema plötzlich klar und es war nicht mehr nötig, das Märchen pausenlos zu wiederholen.
Was erkennen wir in diesem Märchen? Rotkäppchen ist ungehorsam, folgt einem Instinkt (dem Wolf) und handelt eigenmächtig (Blumen pflücken), aber sehr schnell wird es mit den Folgen konfrontiert (der Wolf frisst es auf). Trotzdem kommt alles zu einem guten Ende. Hier spiegelt sich die Stimmung des Kindes in der Trotzphase wider: es will seinen eigenen Weg gehen, kann aber noch nicht auf eigenen Füßen stehen. Es erlebt einen Konflikt zwischen Gehorsam, der ihm positive Aufmerksamkeit sichert (auf dem Waldweg bleiben und gehorsam sein) und dem, was es selbst eigentlich will, das, was ihm selbst am besten gefällt (schöne Blumen zu pflücken). Im Alltag äußert sich das beispielsweise darin, dass das Kind an den Herdknöpfen herumspielt, obwohl es verboten ist; es gibt noch mehr von diesen leidigen Dingen. Das Kind weiß, dass es dafür einen Rüffel bekommt oder bestraft wird, und es weiß auch, das so etwas nicht angenehm ist.
Aber das Märchen sagt: „Hab keine Angst! Auch wenn du experimentierst und ab und zu deiner eigenen Wege gehst, wird alles immer wieder in Ordnung kommen, und deine sichere familiäre Umgebung wirst du auch nicht verlieren." Das Märchen macht deutlich, dass dieser Konflikt ein allgemein menschliches Muster ist, und weist dem Kind in einer symbolischen Sprache - der Bildersprache - den Weg. Weder die Eltern noch das Kind werden sich dessen bewusst sein. Aber solange das Märchen wieder und wieder vorgelesen werden „muss", wissen wir, dass das Kind es noch als bildliche Richtschnur braucht. (Natürlich ist dieses Märchen, wie so viele Produkte des Unbewussten, auf mehrere Arten zu deuten. Ich habe diese ausgewählt, weil sie bei kleineren Kindern deutlich eine Vorrangstellung einnimmt.)
So, wie ein Märchen dem Kind unbewusst eine Richtung weist und ihm hilft, Problemen im normalen Alltagsleben die Stirn zu bieten, wirken auch die Abbildungen des Tarot auf uns Erwachsene. Wir durchschauen kaum, wie viel eine solche Abbildung in uns auslösen kann!
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